News von der Glarner reformierten Landeskirche

«Kernkraft ist eine sterbende Grösse»

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17.11.2016
Atomkraftwerke haben keine Zukunft, davon ist der reformierte Theologe und Ethiker Torsten Meireis überzeugt. Einen möglichst raschen Ausstieg aus der Kernenergie, wie ihn eine Volksinitiative der Grünen vorsieht, hält er daher für sinnvoll.

Am 27. November stimmt die Schweiz über die Volksinitiative «Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie», kurz Ausstiegsinitiative, ab. Sie verlangt, dass in der Schweiz keine neuen Atomkraftwerke (AKW) mehr gebaut werden dürfen und dass die Laufzeit der bestehenden Anlagen begrenzt wird. Drei von fünf AKW müssten damit bereits nächstes Jahr vom Netz. Eine gute Idee, findet Torsten Meireis, der bis vor Kurzem als Professor für Systematische Theologie und Ethik in Bern tätig war und heute an der Humboldt-Universität in Berlin lehrt. «Die Atomenergie birgt massive Risiken, das hat Fukushima gezeigt. Zudem ist die Frage der Endlagerung noch immer nicht gelöst. Da hinterlassen wir der Nachwelt auf Hunderttausende Jahre hinweg ein Problem.»

«Hohe Belastungen für künftige Generationen»
Meireis nennt drei Gründe, die aus theologischer Sicht für einen Ausstieg sprechen. Erstens den verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung, was an das Sicherheitsargument anknüpft. Im Falle eines Unglücks nämlich sei die Zerstörung so umfassend, dass das Risiko unverantwortlich sei, sagt Meireis. Doch selbst dann, wenn es in der Schweiz nie zu einem Reaktorunfall kommen sollte, bliebe der zweite Grund – die Gerechtigkeit. «Wir müssen Gerechtigkeit vor allem aus der Perspektive derjenigen betrachten, die ihre eigenen Interessen nicht wahrnehmen können», so der Ethiker. «Die Atomenergie ist hier deshalb problematisch, weil sie für die künftigen Generationen hohe Belastungen generiert, ohne dass sie jemals etwas davon hätten – und ohne dass sie sich dazu hätten äussern können.»

Hinzu kommt für Meireis die freiwillige Selbstbeschränkung. Aus christlicher Sicht bestehe der Sinn des Lebens im Dienst am Nächsten, und nicht darin, immer mehr zu konsumieren und ständig neue Güter anzuhäufen. Die christliche Perspektive sei nicht «bigger, better, more», doch die Atomkraft suggeriere, dass genau das der richtige Weg sei. «Alle Effizienzmassnahmen im Energiebereich, die Umstellung unseres Lebensstils in Richtung 2000-Watt-Gesellschaft – die Atomkraft setzt dazu ein gegenteiliges Signal.»

Stromlücke befürchtet
Zu diesem Argument passt auch die zweite Forderung der Initiative: Neben dem Atomausstieg verlangt sie, dass der Bund seine Energiepolitik auf weniger Verbrauch, mehr Effizienz und die Förderung von erneuerbaren Energien konzentriert.

Das Volksbegehren wurde von den Grünen lanciert und erhält Unterstützung von der SP sowie den Grünliberalen. Dagegen ausgesprochen haben sich die bürgerlichen Parteien sowie Bundesrat und Parlament. Die Landesregierung argumentiert dabei vor allem mit der Versorgungssicherheit: Sollte die Initiative angenommen werden, würde der Schweiz laut der zuständigen Bundesrätin Doris Leuthard (CVP) ab 2017 Strom für 1,6 Millionen Haushalte fehlen. Um diese Lücke zu kompensieren, müsse Strom aus dem Ausland importiert werden – und dieser würde vor allem aus anderen AKW oder gar aus Kohlekraftwerken stammen. Letztere gelten als sehr umweltschädlich.

Anreiz für Investitionen
Allerdings sieht auch die Regierung die Zukunft nicht in der Atomkraft. «Der Bundesrat setzt auf einen Ausstieg aus der Kernenergie, der mit dem Ausbau der einheimischen erneuerbaren Energien Schritt hält», heisst es im Abstimmungsbüchlein. Mit anderen Worten: Aussteigen ja, aber nicht so schnell, wie die Grünen-Initiative dies verlangt.

Torsten Meireis dagegen kommt zu einer anderen Einschätzung: Kernkraft sei im deutschsprachigen Raum ohnehin eine sterbende Grösse. Ein möglichst rascher Ausstieg würde zudem ein Umdenken bei den Energiekonzernen bewirken und einen Anreiz setzen, in die erneuerbaren Energien zu investieren. «Je schneller die Schweiz also diesen Schritt macht, desto besser.»

Vanessa Buff / ref.ch / 17. November 2016

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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