News von der Glarner reformierten Landeskirche

«Hey, wir sind alle Influencer»

min
03.01.2020
Jana Highholder ist Influencerin. Die Medizinstudentin ist im Auftrag der Evangelischen Kirche Deutschland im Web unterwegs und zeigt Kante.

Frau Highholder, wann haben Sie zum letzten Mal öffentlich erklärt, dass Sie an Gott glauben?
Am letzten Wochenende, als ich für einen Beitrag unterwegs war.

Für die meisten ist der Glaube etwas Privates. Für Sie nicht. Warum?
Den Rückzug des Glaubens in das private Leben würde ich als modernen Biedermeier bezeichnen. Ich glaube, dass wir aufgefordert sind, das Gegenteil zu tun. Gehet hin und machet Jünger, lautet der Auftrag, den wir Christen ernst nehmen sollten. Wenn ich überzeugt bin, dass ich die beste Botschaft der Welt kenne, die Herzen, Seelen und Menschen rettet und verändert, dann kann und will ich diese doch nicht für mich behalten. Ich glaube, dass diese Nachricht das Leben reicher macht. Dieser Reichtum gehört nicht nur mir, sondern auch allen anderen, weil er unermesslich ist.

Ihre Videos erreichen 50’000 Zuschauer. Was machen Sie besser als Pfarrer und Pfarrerinnen am Sonntag auf der Kanzel?
Es geht um Inhalt und Form. Die Form muss mit der Zeit gehen, damit sie die Jugend erreicht, sie muss die Menschen ansprechen. Der Inhalt, die Wahrheit, ist zeitlos. Sie war vor 2000 Jahren genauso aktuell wie sie heute ist.

In Ihren Videos reden Sie Klartext. Manche Kritiker empfinden dies als konservativ.
Ich glaube, wir sollen klar sein. Natürlich ändern sich meine Perspektiven und erweitert sich mein Horizont, ansonsten würde ich mir Sorgen machen. In einer Welt, in der alles Wischiwaschi und irgendwie o.k. ist, haben wir oft kein Verhältnis mehr zu wahr und falsch. Aber es gibt Wahrheiten, es gibt Glaube und es gibt das Gegenteil von Wahrheit. Dafür zeige ich eine klare Kante. Viele biblische Stellen sind auslegungswürdig, aber es gibt Bibelstellen, die klar sind. Die Herausforderung ist, dass wir das so annehmen und unser Leben danach ausrichten.

Als kirchliche Influencerin sitzen Sie im Schaufenster. Wie reagiert Ihr Umfeld darauf?
Wenn man für etwas einsteht und beharrlich ist, dann beeindruckt dies, unabhängig von der Botschaft. Ich will zeigen, dass ich es ernst meine. Ich möchte, dass meine Worte genauso von der Botschaft erzählen, wie das mein Leben tut. Viel dramatischer wäre es, wenn ich sagen würde, ich bin Christ, und mein Umfeld fragt, meint sie das ernst?

Gibt es auch Kritik?
Klar. Wenn man etwas Relevantes tut, dann gibt es Kritik. Das ist eine normale Dynamik, die zeigt, wie relevant etwas ist. Wenn es niemanden interessiert und aufregt, gibt es keine Reaktionen. Schon allein der Name Christus ruft Emotionen hervor, entweder der Zustimmung oder der Ablehnung. In den sozialen Medien fällt die Kritik oftmals heftig aus.

Stört Sie das nicht?
Das ist der Preis, den ich bezahle. Gott hat mir meine Stimme und die Plattform geschenkt und es wäre unklug, dies nicht zu gebrauchen. Ich sage dann, Jesus, du hast mir diese Verantwortung auferlegt, ich will diese weitertragen, weil ich glaube, dass du das verdienst. Dazu brauche ich deine Hilfe.

Braucht die Kirche mehr Influencer?
Jeder Jesusnachfolger sollte ein Beeinflusser seines Umfelds sein. Wir sind eine gesellschaftliche Gruppe, die eine Botschaft kennt, welche die Macht hat, zu verändern. Jeder kann dies tun, an dem Ort, wo er steht. Sei es die Mutter, die ihren Kindern zeigt, was Fürsorge ist, sei es an der Schule oder Universität oder anderswo. Alles, was du sagst, denkst oder tust, zählt und hinterlässt Spuren. Ich denke, dieser Verantwortung sollten wir uns alle bewusst sein. Hey – wir sind alle Influencer.

War Jesus ein Influencer?
Mit Sicherheit, und einer der bekanntesten, damals wie auch heute.

Interview: Tilmann Zuber, kirchenbote-online, 3. Januar 2020

www.janahighholder.de

Kirchen und soziale Medien: Influencer des Herrn

Unsere Empfehlungen

69-Jährige im neuen Look

69-Jährige im neuen Look

Das «Wort zum Sonntag» gehört zu den ältesten Sendungen von SRF. Jetzt wurde ihr Auftritt optisch überarbeitet. Über die alte Sendung in neuem Glanz.
«Ich hätte das nicht für möglich gehalten»

«Ich hätte das nicht für möglich gehalten»

Seit einem Jahr herrscht Krieg in der Ukraine. Aus diesem Anlass rufen die Kirchen in der Schweiz zum Gebet auf. Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz (EKS), über die Zeitenwende, das Gebet und den Einsatz von Waffen.
Ein moderner Ablasshandel?

Ein moderner Ablasshandel?

Kabarettistin und Slam-Poetin Patti Basler über Spenden, Steuern und den letzten Urnengang. Absolution gebe es nicht, sagt die Schweizer Sprachkünstlerin, weder von der Kirche noch von Mutter Erde.