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EKS setzt auf «Sorgfalt vor Eile»

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07.09.2021
Die Synodalen der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) haben den Untersuchungsbericht zur Causa Locher verabschiedet. Konkrete Massnahmen lassen allerdings auf sich warten. Schon in wenigen Monaten wird die Angelegenheit aber nochmals zu reden geben.

Bereits am Mittag war Feierabend für Evelyn Borer, Synodepräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS). Bestimmt und ruhig hatte Borer zuvor die ausserordentliche Synode geleitet. Das übertrug sich auf die Synodalen, die sich in Gesprächen nach Abschluss durchaus zufrieden mit dem Verlauf der Versammlung zeigten. Dieser unaufgeregte Ausgang war alles andere als selbstverständlich.

Traktandiert war nämlich die Behandlung des Berichtes der nicht-ständigen Untersuchungskommission. Zur Erinnerung: Die Kommission hatte Anschuldigungen gegen den ehemaligen EKS-Präsidenten Gottfried Locher untersucht. Dabei war sie zum Schluss gekommen, Locher habe eine ehemalige, ihm unterstellte Mitarbeiterin mutmasslich sexuell, psychisch und spirituell missbraucht.

Schadenersatz juristisch prüfen
Die Frau, die strengen Wert auf Anonymität legt, hat im März 2020 eine Beschwerde gegen Locher und die EKS eingereicht. Sie stellte dieses Frühjahr Schadensersatzforderungen in der Höhe von rund 145'000 Franken. Eine externe Anwaltskanzlei prüfe für die EKS gegenwärtig, ob die Forderung juristisch gerechtfertigt sei, sagte EKS-Präsidentin Rita Famos. Danach werde entschieden, wie man damit umgehe. Eine entsprechende Rückstellung habe man bereits gebildet.

Eine finanzielle Forderung des ehemaligen EKS-Ratsmitgliedes Sabine Brändlin in unbestimmter Höhe dagegen werde wohl nicht beglichen, sagte Famos sinngemäss. Brändlin war im April 2020 zurückgetreten, sie hatte eine aussereheliche Beziehung mit Locher gehabt. Die internen juristischen Abklärungen seien nicht abgeschlossen. Eine Entschädigung über die Tagespauschalen für Sitzungsteilnahmen hinaus gebe es wohl eher nicht, meinte Famos.

Die Anwaltskanzlei hat für die EKS auch die Befragungen in der Causa geführt und daraus den fast 200 Seiten langen vertraulichen Untersuchungsbericht verfasst. Es handelt sich laut Famos um dieselbe Kanzlei, die für das VBS die Vorwürfe zu den Vorfällen in Magglingen untersucht hat (Grenzverletzungen im Spitzensport).

Locher schweigt
Der Beschuldigte schweigt bis heute zu den Vorwürfen. Seit über einem Jahr ist der ehemalige Präsident nicht mehr öffentlich aufgetreten. Am Samstag erreichte die Synodalen ein Schreiben von Barbara Locher, der Ehefrau von Gottfried Locher. Der Brief liegt der Redaktion vor. Darin beteuert Barbara Locher die Unschuld ihres Mannes.

Synodepräsidentin Borer bestätigte gleich zu Beginn der Synode den Erhalt des Briefes, wollte aber nicht weiter darauf eingehen: «Wir sind kein Gericht. Unsere Aufgabe ist es nicht, Schuldige zu suchen.» Viel wichtiger sei es nun, die Zukunft der Kirche zu gestalten.

Selbstkritik geübt
Noch vor der Detailberatung meldete sich die Bündner Kirchenrätin und Synodale Miriam Neubert zu Wort. Sie habe das Gefühl, viele Synodale zeigten mit dem Finger aufeinander, und vermieden damit, bei sich selbst genauer hinzuschauen. Mit der Beschwerde einer «mutigen Frau» sei «an einer Ecke geschraubt» worden, woraufhin ein ganzes System in Bewegung geraten sei.

Damit sei zum Vorschein getreten, was schon zuvor in Schieflage geraten war. «Die Kosten gingen in die Höhe, die Leistungen und die Zufriedenheit herunter. Wir als Synode haben nicht laut genug kritisiert», sagte Neubert. Manch einer habe sich vielleicht erhofft, durch eine besondere Nähe zum damaligen Präsidenten selbst zu profitieren.

Neubert betonte, sie vermisse die theologische Einordnung in der Angelegenheit. Die EKS habe sich in ihren Vereinsstatuten etwas anderes vorgenommen. Man solle weniger Zeit mit der Rechtfertigung der Vergangenheit verbringen, als damit, sich die eigene Fehlbarkeit einzugestehen und dann weiterzugehen. «Was wir hier heute diskutieren, wird das Bild prägen vom Umgang der Kirche mit Krisen.»

Deadline bis Sommer 2022
Die Untersuchungskommission beantragte der Synode, 17 von ihr formulierte Empfehlungen aufzunehmen und umzusetzen. Der Rat hätte bis zur Herbstsynode im November zudem einen Aktionsplan mit Zeitrahmen zur Umsetzung ausarbeiten sollen.

Die Synodalen aber nahmen mit grosser Mehrheit einen Änderungsantrag an, den die Zürcher Delegierten eingebracht hatten. Sie verlangten, der Untersuchungsbericht sei bloss zur Kenntnis zu nehmen. Der Rat und das Synodebüro müssten die Empfehlungen aus ihren Zuständigkeitsbereichen prüfen, dazu einen Bericht erarbeiten und einen Aktionsplan erstellen. Dafür bleibt ein knappes Jahr Zeit, konkret bis im Juni 2022. Die Verabschiedung möglicher Massnahmen ist somit quasi vertagt.

Es sei unmöglich, innerhalb weniger Stunden sämtliche Empfehlungen durchzudiskutieren und sämtliche Entscheidungen zu treffen, waren sich mehrere Synodale in ihren Voten einig. «Es gilt Sorgfalt vor Eile», sagte als erste die Luzerner Synodalratspräsidentin Lilian Bachmann. «Zuerst nehmen wir den Untersuchungsbericht zur Kenntnis, dann packen wir die Reform an», ergänzte die Zürcher Kirchenrätin und Synodale Esther Straub.

EKS-Synodepräsidentin Evelyn Borer verhehlte im Gespräch mit ref.ch nicht, dass es allein mit der Kenntnisnahme nicht getan ist. «Es ist verführerisch zu meinen, die Angelegenheit sei jetzt abgeschlossen. Ein grosser Teil der Arbeit steht noch an.»

Johanna Wedl, ref.ch

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