News von der Glarner reformierten Landeskirche

«Er wollte Mensch sein»

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04.04.2018
Der vor einem Jahr verstorbene Theologe Al Imfeld war der einzige weisse Mitarbeiter in Martin Luther Kings Stab. Der Publizist erinnerte sich an die letzten Jahre in Kings Leben.

Al Imfeld, für Martin Luther King stand trotz permanenter Bedrohung die Gewaltlosigkeit im Vordergrund. War er ein friedlicher Mensch?
Ja, sicher war er gewaltlos. Er konnte auch wütend werden. 1966, als er in Chicago mit den Hausbesetzungen – besser gesagt Hauskäufen – begann, wurde er zwar nicht gewalttätig, aber seine Art der Gewaltlosigkeit kam methodisch an ein Ende.

War sie also erfolglos?
Die Methode der Gewaltlosigkeit funktionierte Ende der fünfziger Jahre im Süden sehr erfolgreich. Dann veränderte sich die Bewegung und ist ihm entwachsen. Er sprach von einer Bürgerrechtsbewegung. Aber er wich der Frage der Schwarzen aus. Für den Süden war das günstig. Für den Norden hatte er keine Strategie.

Dort hätte er die Frage der Schwarzen ansprechen müssen?
Das hatte er sowieso ab 1960 tun müssen. Die Bewegung hatte alles erreicht, was sie wollte. Martin dachte, sie ginge so weiter wie in den fünfziger Jahren. Er konnte nicht sehen, dass sein Zenit überschritten und sein Einfluss seit 1963 am Verschwinden war. Ich muss ehrlich sagen, ich hatte auch Schwierigkeiten mit meinem Freund. Und als ich 1966 wegging, habe ich zum ihm gesagt: «Du bist ein Mythos, aber mehr bist du nicht mehr.» 1969 hätte die Bewegung ein neues Ziel gebraucht. Sie hätte Afrika und die Würde der Schwarzen in den Vordergrund schieben müssen. Damals entstand ja auch die «Black Power»-Bewegung. Gleichzeitig wurden afrikanische Länder unabhängig. Die Schwarzen in Amerika haben die Entwicklung nicht wahrgenommen.

Wann sind Sie Martin Luther King begegnet?
Bei Kings Protestmärschen durfte niemand mitmarschieren, der nicht eine kurze Ausbildung in Gewaltlosigkeit hatte. Ich absolvierte einen solchen Kurs und war überrascht, wie selten Afrika erwähnt wurde. Deshalb schrieb ich ihm einen Brief. Dann hat er mir telefoniert. Er beauftragte mich, in seiner Bewegung die Geschichte Afrikas zum Thema zu machen.

Wie war er als Mensch? Man sagt, er sei humorvoll gewesen …
… ja sicher.

Manchmal sei er auch von Selbstzweifel geplagt gewesen.
Es ist nicht möglich, ihn in einem Begriff zu fassen. Er wollte Mensch sein und konnte es gleichzeitig zwecks seiner Religiosität nicht sein. Er war ein Asket, der seine Askese nicht in allen Bereichen einhalten konnte. Er hat zu jener Zeit etwas ausgestrahlt. Er war ein gewaltiger Prediger, der die Massen elektrisieren konnte. Und er hatte natürlich ein Ziel vor Augen: Mehr Gerechtigkeit. Und das war nicht eine Phrase, sondern er konnte es auch im Konkreten durchsetzen. Ich habe mich oft gefragt, was seine Grösse ausgemacht hat. Ich glaube, es gibt kaum eine andere Persönlichkeit, die man nur in seiner Zeit verstehen kann. Er gehörte zu den Gestalten, die zehn Jahre lang wirklich etwas bewegt haben.

Was ging Ihnen bei seinem Tod durch den Kopf?
Als ich 1966 ging, weinte er in meine Brust und bat mich zu bleiben. Er sagte: «Ich weiss nicht, was tun.» Er sah, dass die Leute immer mehr von ihm erwarteten. Mir hat er in diesem Moment wahnsinnig leidgetan.

Was hat sein Engagement gebracht?
Seine Arbeit hat viel gebracht, zum Beispiel die Aufhebung der Rassentrennung in den Schulen des Südens. Für die Städte im Norden hingegen hat sich wenig geändert.

Was ist Ihnen von der Begegnung mit Martin Luther King geblieben?
Martin hat mich animiert, zu dem zu werden, was ich heute bin. Beim Abschied habe ich ihm versprochen, dass ich mein Leben für den Kontinent Afrika einsetzen werde. Und das habe ich bis heute gehalten.

Interview: Thomas Schaufelberger

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