News von der Glarner reformierten Landeskirche

Das Himmelreich ist wie...

von Dagmar Doll
min
27.05.2023
Pfarrerin Dagmar Doll schreibt über Spaceshuttles und das Himmelreich - kurz: was man eben auf einer Übernachtung mit Jugendlichen im Klöntal so diskutiert.

Es stellt mich jedes Jahr wieder vor neue Herausforderungen, die Himmelsfahrtsgeschichte (Auferstandener Jesus zeigt sich den Jüngern, sagt ein paar kluge Worte, plötzlich kommt eine Wolke und wie ein Spaceshuttle geht es in die Luft und nun sitzt er irgendwo da oben) so zu erzählen, dass es auch Jugendliche irgendwie mit sich in Verbindung bringen. Denn wir wissen doch, dass diese Geschichte aus einer Zeit stammt, als die Erde noch eine Scheibe war und Gott irgendwo da oben. Was soll das und was hat das mit einem jungen Menschen von 12 – 14 Jahren zu tun? Ich könnte es ja ignorieren, aber da sitzen sie nun, die 15 jungen Menschen, die sich angemeldet haben, um im Klöntal von Mittwoch auf Donnerstag zu übernachten und am Donnerstag das Gemeindefest zum Auffahrtsfest vorzubereiten.

Wie gut, dass uns Jesus ein paar Vehikel geschenkt hat – seine Gleichnisse vom Himmelreich. Und eines knöpfen wir uns vor. Das vom vierfachen Acker, besser bekannt als das Gleichnis vom Sämann. Zunächst heisst es Singen: «Da berühren sich Himmel und Erde!» und dann werden sie hinaus geschickt in die Natur. Auftrag: Ihr sucht Steine, Schlamm, Sand und Gestrüpp und bringt es in das kleine Kirchlein im Klöntal. Fort sind sie und kommen so schnell nicht wieder. Ich wittere Ungehorsam, denke sie sitzen mindestens im Kiosk am nahen Campingplatz und tanken Zucker, aber ich muss mich eines Besseren belehren lassen: Als sie wieder auftauchen, haben sie rote Wangen, sind verschmutzt und haben gefühlt das ganze Klöntal nach geeignetem Material abgesucht. Sie bedauern, dass sie den einen morschen Baum nicht haben fällen können, dafür haben sie aber soviel Gestrüpp, Gebälk und nassen Schlamm in die Kirche gebracht, dass ich schon überlege, wie ich das unserem Sigristen erklären soll. 

Aber das Wichtigste: Mit dem Material kann gearbeitet werden. Ich erzähle die Geschichte vom vierfachen Acker: Ein Bauer geht hinaus und sät. Dabei fällt manche Saat auf dorniges Gestrüpp, andere auf sandigen Boden, manche zwischen die Steine und einige auf fruchtbaren Boden. Nur die letzten werden gedeihen. Wir gestalten zur Geschichte ein Bodenbild, das auch jetzt noch in der Kirche zu sehen ist. Wir legen die vier Teile hin und machen uns daran zu überlegen, was in unserem Leben keine gute Frucht bringt, wovor wir Angst haben, was uns traurig macht, was uns selbst am Gedeihen hindert. Die Jugendlichen beschriften rote Kärtchen, die ins Gestrüpp, in den Schlamm und auf die Steine gelegt werden. Auf den Kärtchen steht: Tod, Krieg, Sorge im Herzen, Hungersnot, Überschwemmung und vieles mehr, was uns den Atem stocken lassen kann. Nun geht es in die zweite Runde. Die Hoffnungen, Wünsche, Träume, das, was uns gedeihen lässt steht nun auf grünen Kärtchen. Sie fallen auf den fruchtbaren Boden und geben viel von den jungen Menschen preis: «Frieden!» steht da und «Jeder für jeden», und das alle gleich viel haben, aber auch Berufswünsche und Leidenschaften.

Ich bin gerührt von so viel Offenheit und ahne, was das Himmelreich ist. Wenn Wünsche wahr werden, wenn Menschen fair behandelt werden, wenn man zusammen ist und Spass hat und Frieden herrscht. Wir singen noch einmal das Lied «Da berühren sich Himmel und Erde!». Und ich weiss jetzt, wie das Himmelreich sein kann und habe viel von den 15 jungen Leuten gelernt. Der Abend klingt am Lagerfeuer mit Schlangenbrot und Marshmallows aus, die Nacht wird lang und der nächste Tag streng, aber wir haben das Beste im Gepäck, das es gibt: Das Himmelreich auf Erden, mit einem Jesus im Herzen, der nicht weit weg im All auf einer Wolke sitzt, sondern mitten unter uns ist. 

 

 

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