Denkpause: «Einen Gott, den ‘es gibt’…
Oder wäre es treffender zu schreiben: Jenen Gott? Jenen Gott, der einem nicht unerheblichen Teil der Menschheit Kopfzerbrechen bereitet. Theologen, Philosophen, Denkenden, sich fragend, ob er liebend, strafend, rächend, gewaltig oder sogar verletzlich sei. Jenen Gott, den die Menschen Jahwe, Vater, Allah, Brahma nennen. Es wären hier sicherlich noch etliche andere Namen aufzuzählen. Ihn gibt’s also nicht. Dann könnten wir hier getrost enden. Denn über etwas nachzudenken, was es nicht gibt, lohnt sich nicht, macht keinen Sinn. –
Aber halt. Vor wenigen Wochen besuchte ich eine Weiterbildung in der Christusträgergemeinschaft in Ralligen, unweit der Beatushöhlen am Thunersee. Dort soll der Legende nach der irische Wandermönch Beatus einen feuerspeienden Drachen mit Hilfe seines Glaubens und seinem Wanderstab vertrieben haben. Dieser Drache stürzte in den See und ward nicht mehr gesehen. Aus die Maus oder eben aus mit Feuer spucken. Hatte es ihn denn wirklich gegeben, den zündelnden Bösewicht? Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, so besuchen trotzdem jährlich weit über 150'000 Personen diesen Pilgerort. Überdies finden wir ein ähnliches Exemplar, aber wohl ohne Zündstoff, beherbergt in einem schottischen See. Sein Name «Nessie».
Liebe Leser:innen, die «(ver)messende» Wissenschaft ist sich einig, es gab weder Drachen, «Nessies», noch Einhörner. Aber wie steht es mit Gott? Mit Mikroskop, Fernrohr und Metermass ist ihm wohl nicht beizukommen. Auch nicht existierende Knochenfunde helfen da nicht weiter. Weshalb, bzw. weshalb nicht? Eben weil es sie nicht gibt. Aber bedeutet das, dass es auch ihn nicht gibt? Ja. Und erschrecken Sie jetzt bitte nicht. Aber er ist eben nicht als Ding, als Sache, als Objekt zu haben. Was hätten wir damit auch schon gewonnen? Vielleicht ist ja die Blickrichtung die Falsche. Nicht nach aussen (Fernrohr, Mikroskop und Metermass), sondern nach innen sollte unser Blick gerichtet sein. Im in mich Hineinschauen oder im tiefen Hineinhorchen kann Vieles, Mögliches wie Unmögliches zur Wirklichkeit werden, was in der «Aussenschau» nicht erfahren werden kann.
Ähnlich des Saint-Exupéryschen Prinzen, welcher nur mit dem Herzen gut sieht. Auch wenn ich «es», was wir Gott nennen, nicht fassen, berühren kann. Auch wenn es «es» nicht gibt, kann «es» zu wirken beginnen. Und da leuchtet im Verborgenen das Geheimnis, vielleicht das Geheimnis des Lebens; - Gott. Und den Gott, den es nicht gibt, der aber gibt und vergibt, ist mir ohnehin viel näher.
Von Pfarrer Daniel Zubler, Spitalpfarrer in Glarus
Denkpause: «Einen Gott, den ‘es gibt’…