Geist – Atem – Wind
«Ruach» ist das hebräische Wort, welches alle drei Begriffe in einem Begriff zusammenfasst. Das Wort ist häufig weiblich, manchmal männlich. Mit Ruach ist die Kraft gemeint, die hinter Atem/Odem, Wind und Geist steht. Das Wort ist ziemlich sicher verwandt mit dem Begriff für Weite. Das heisst, Ruach führt von der Enge in die Weite und schafft so Leben.
Es fällt nicht schwer, von hier aus den Bogen zu schlagen zu dem, was wir aus christlicher Sicht später als Heilige Geistkraft benennen als dritte Person oder Kraft innerhalb der Trinität.
Ruach hat mit Gespenst nichts zu tun
Im Deutschen assoziieren wir beim Wort Geist eher Gespenst. Etwas, das vor allen Dingen nachts herumgeistert und Menschen in Schrecken versetzt. Oder wie im Fall der humorvollen Erzählung von Oscar Wildes «Gespenst von Canterville» dies vergeblich versucht.
Ruach hingegen hat mit Gespenst nichts zu tun. Vielmehr steht sie in enger Verbindung mit Gott. Von Gott geht Ruach aus als Hauch, Atem, Odem, Wind, Sturm, Energie, Lebenskraft, Schöpferkraft oder prophetische Kraft. Spannend finde ich, dass Ruach dann mit männlichen Pronomen erscheint, wenn diese Kraft auch Zerstörerisches entfaltet, wenn Ruach Sturm ist, zorniges Schnauben. Weiblich ist sie bei allen Formen, in denen sie schöpferische, gestalterische, lebensspendende Kraft ist. Ich komme nicht umhin, Parallelen zur Gegenwart zu ziehen.
Die belebende Kraft
Die Ruach geht aus dem Mund Gottes hervor. Natürlich ist dies eine bildhafte Vorstellung, die Gott menschenähnliche Züge gibt. Doch es sind wirkmächtige Bilder. In Psalm 104, 29 wird beschrieben, dass der Schrecken darin liegt, wenn Gott seine Ruach zurücknimmt, weil dann alles stirbt und zu Staub zerfällt – eine Schreckgespenstvorstellung. Umgekehrt bedeutet es Leben, wenn Gott seine Ruach ausschickt und der Erdboden neu gemacht wird. Es braucht die Lebensodemkraft Gottes, die alles beseelt und belebt.
Noch eindringlicher wird die belebende Kraft in der Vision des Ezechiel beschrieben in Kapitel 37. Der Prophet sieht ein Feld von Totengebeinen, ein Bild für die Hoffnungslosigkeit des Volkes Israel im Exil. Zwar können die Totengebeine wieder zu Körpern zusammengefügt werden. Doch erst als die Ruach Gottes kommt, werden sie wieder lebendig. Verzweiflung wandelt sich in Hoffnung und Leben.
Gottes Absicht
Der Begriff Ruach ist vielschichtig. Das zeigt sich auch darin, dass in der Begegnung des Propheten Elia mit Gott am Gottesberg Horeb Gott gerade nicht im Ruach zu finden ist, hier beschrieben als Sturm, der Felsen zerschmettert, sondern im leisen Verwehen eines Hauches.
Gerade diese Stelle hilft mir aber zu verstehen, dass Gottes Absicht Leben ist, und nicht Zerstörung, lebensspendender Odem. So wie mein Atem Zeichen ist für meine eigene Lebendigkeit.
Das Leben aushauchen
Schreckgespenster, die heute ihr Unwesen nicht mehr im Dunkeln treiben, sondern unverfroren aufmerksamkeitsheischend tagsüber wüten und Demokratien zerschmettern, bannen Aufmerksamkeit, oft auch meine. Doch weiterhin atme ich mit jedem Atemzug Leben ein, den Odem der Heiligen Geistkraft, die mich umgibt wie Wind, Atem, Luft und die auch in mir wohnt, die schöpferische Kraft von allem, was ist. Und wenn mein Atem einst aufhört?
Moses stirbt am Mund Gottes. Dort, wo Gottes Ruach ausgeht, dorthin haucht Mose sein Leben aus. Ein wunderschönes Bild für die Rückkehr in die Ruach Gottes. Als würde Gott seinen Mund öffnen zu einem Kuss und die geliebte Seele empfangen. Gegen dieses Bild haben Schreckgespenster keine Chance.
Geist – Atem – Wind