News von der Glarner reformierten Landeskirche

Interview mit Roman Salzmann und Cyrill Rüegger

von Swantje Kammerecker
5 min
17.06.2025
Sind Sie seit Anfang Jahr im Kirchenboten online auch schon auf den einen oder anderen spannenden Bibel-Krimi gestossen? Hinter der Serie steckt unsere Thurgauer Partnerredaktion. Zur „Halbzeit“ von Tatort Bibel gewährt sie einen Blick hinter die Kulissen.

Zuletzt hiess es „Heuschrecken aus der Hölle“, „Ein Racheakt der brutalsten Art“ und „Dieser Befreiungsstoss sitzt tief“; es geht um Themen wie Brudermord, sexuelle Gewalt am Krankenbett oder die Enthauptung des Johannes. Tagesaktuell aufgemacht sind die Fälle – auch optisch: lebensnah und farbig bebildert, mit markantem Absperrband illustriert und einer „Ticker“-artigen Kurzfassung des neusten Falls, wo für die Auflösung auf das Buch der Bücher verwiesen wird. Hinter dem Konzept der Serie (jeden Monat ein biblischer Tatort) stehen die Redaktoren des Thurgauer Kirchenboten Roman Salzmann (RS) und Cyrill Rüegger (CR).

Fragen: Swantje Kammerecker

Roman/Cyrill: Macht der Kirchenbote mit „Tatort Bibel“ nun der Sensations- und Klatschpresse Konkurrenz? Oder was steckt hinter der speziellen Aufmachung der Artikel?

RS: Mit Sensation hat das nichts zu tun, aber wir versuchen die Leserschaft mit der Aufbereitung von Inhalten abzuholen, die sie sich von ihrer Mediennutzung her gewohnt sind.

CR: Wir möchten biblische Inhalte ernsthaft und gleichzeitig unterhaltsam vermitteln. Mit der Serie „Tatort Bibel“ sollen die Leserinnen und Leser Einblick in Verbrechen erhalten, die in der Bibel geschildert werden. Dabei versuchen wir auch zu beantworten, was wir heute aus diesen Fällen lernen können.

Wie entstanden die Idee und das Konzept zu der Serie?

RS: In der Redaktionskommission sammeln wir jeweils Ideen für eine Jahresserie, die wir im Rahmen einer Jahrestagung im Detail ausarbeiten. Das „True Crime“-Genre – also Geschichten über wahre Verbrechen – sind aktuell hoch im Kurs. Ausserdem haben Mitglieder der Redaktionskommission in ihrem Berufs- und Kirchenalltag immer wieder gehört, dass Menschen mit „Gruselgeschichten“ in der Bibel ihre liebe Mühe haben.

CR: Deshalb fand die Idee, biblische Tatorte unter die Lupe zu nehmen, rasch Anklang. In der Folge haben wir das Inhalts- und das Layoutkonzept ausgearbeitet. Passend zum eher düsteren Thema haben wir die Doppelseite ausnahmsweise schwarz hinterlegt.

„DAS GENRE TRUE CRIME IST HOCHAKTUELL“

Wieviel muss man wissen, um die beschriebenen Fälle auch historisch einordnen zu können?

CR: Die Autorinnen und Autoren haben einen theologischen Hintergrund oder eignen sich das entsprechende Hintergrundwissen an. Zudem recherchieren sie die historischen Begebenheiten. Das ist nur schon deshalb wichtig, damit die Illustration des Verbrechens möglichst authentisch angefertigt werden kann, also dass die Protagonisten zum Beispiel in zeitgemässer Kleidung abgebildet werden.

Gab es Dinge, die euch überrascht haben?

CR: Zum Start der Serie haben wir ein Interview mit einer Staatsanwältin geführt. Sie hat auf einen interessanten Aspekt hingewiesen: Wie in der Bibel bleiben auch bei ihren Fällen manchmal Restzweifel übrig: Hat der Täter die Tat wirklich begangen? Wurde er zu hart oder zu mild bestraft?

RS: Mit diesem Mass an Ungewissheit müssen wir leben. Aber über allem steht auch für die Staatsanwältin die Gewissheit, die für Menschen, die das komplett anders sehen, eine Torheit ist: Der bedeutendste „Tatort“ ist dort, wo Jesus stellvertretend ans Kreuz genagelt wurde, damit Menschen eine Chance haben, vor Gott zu bestehen.

Bei manchen Auslegungen gehen die Autoren auch recht frei, spielerisch um mit dem Material. Da wird etwa bei der Heuschreckenplage auf den Klimawandel angespielt oder bei der Enthauptung des Johannes auf aktuelle Herrscher, welche den Rechtsstaat beugen. Brauchen wir mehr solcher „wagemutigen“ Bibelauslegungen, um die Menschen abzuholen und ihnen die Bibel neu zu eröffnen?

RS: Im Gesamtzusammenhang legt sich die Bibel ja eigentlich selber aus. Die Frage ist, wie sehr wir uns persönlich von der frohen Botschaft prägen und vom gesamten Inhalt ganzheitlich leiten lassen wollen. Gottes Geist sind keine Grenzen gesetzt, er wirkt durch unvollkommene und an unvollkommenen Menschen.

CR: Auslegungen von Menschen sind immer auch persönlich geprägt. Das gilt genauso für unsere Tatort-Serie. Aber weil je nach Epoche und Umständen andere Zugänge zur Bibel entstehen, können stimmige Lebensbezüge tatsächlich helfen, um die Menschen ganz praktisch abzuholen.

Habt Ihr einen Lieblingsfall bzw. einen der euch persönlich besonders berührt hat?

RS: Der Tyrann Eglon, von dem die Israeliten gemäss dem Buch Richter dank Ehud befreit wurden, und die Parallelen dieser Geschichte zu Hitler und Bonhoeffer bis hin in die heutige Zeit in unserer Weltregion.

CR: Mir kommt der Fall der Ehebrecherin in den Sinn, die von Jesus gerettet wird, indem er zur wütenden Menschenmenge sagt: „Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Ich denke, dass wir auch heute noch vorschnell Urteile fällen. Die sozialen Medien verstärken diese Tendenz und beschleunigen verheerende Reaktionen. Mit Tatorten aus der Bibel im Hinterkopf können wir einen Schritt zurücktreten und versuchen, eine neue Perspektive einzunehmen.

„PARALLELE ZU HITLER UND BONHOEFFER“

In herkömmlichen Krimis geht es meist um gut gegen schlecht, also zuweilen Schwarzweiss. Ist das in „Tatort Bibel“ auch so? Was ähnelt, was unterscheidet eure Serie von „weltlichen“ Krimis?

CR: Da gibt es durchaus Parallelen: Im aktuellen Fall, bei welchem Ehud den Tyrannen-König Eglon ermordet, wird der Tod gewissermassen als Erlösung vom Bösen dargestellt. Die Art und Weise des Mords, der auf der Toilette geschieht, lädt sogar zum Schmunzeln ein. Der Tyrannenmord wird später – im Lichte des Zweiten Weltkriegs – auch von Dietrich Bonhoeffer thematisiert. Hinter den biblischen Tatorten steht also im Unterschied zu manch modernem Krimi eine Moral. Nicht immer ist sie ganz eindeutig ersichtlich und wir möchten die Leserinnen und Leser anregen, sich ihre eigenen Gedanken zu machen.

Wie ist die Rolle von Gott, Jesus in den Bibelkrimis zu verstehen?

RS: Nehmen wir nochmals das Beispiel von Ehud: Gott ermächtigt ihn, den Tyrannenmord auszuführen. In anderen Fällen – zum Beispiel beim Brudermord von Kain an Abel – lässt er es geschehen. Bei der angedrohten Steinigung der Ehebrecherin entlarvt Jesus die jüdischen Gelehrten und tritt als Retter auf. Diese Geschichten haben gemeinsam, dass der Tatort für die Leserschaft in der Quintessenz zum geistlichen Lernort wird. 

Manche Bibel-Krimis sind erschreckend aktuell, was hat das in Euch ausgelöst?

CR: Man macht sich schon seine Gedanken, ob die Taten in dieser Form auch heute möglich sind. Dabei entdeckt man einige Parallelen.

RS: Das zeigt: Die Bibel ist zeitlos und spricht gerade durch solche Inhalte in heutige derartige Situationen hinein: nicht beschönigend, menschlich, ermutigend, hinterfragend, ermahnend, zur Reflexion anregend und doch göttlich inspiriert. Im Verhältnis gesehen sind diese oft schwierig einzuordnenden Bibelpassagen aber deutlich in der Minderzahl, und es gilt die Bibel als Ganzes zu betrachten. Gott handelt in unterschiedlichen Epochen auf unterschiedliche Weise mit den Menschen.

Und wie reagieren Leserinnen und Leser?

RS: Einige sind überrascht gewesen ob des düsteren Layouts des Schwerpunkts, als wir ihn mit einer schwarzen Frontseite Anfang Jahr prominent angekündigt haben.

CR: Wir haben erreicht, was wir wollten: Der Jahresschwerpunkt fällt optisch auf und trifft wohl auch inhaltlich den Nerv der Zeit.

Was können wir heute von den „Tatorten Bibel“ lernen oder mitnehmen?

RS: Es ist gut, das grosse Ganze zu betrachten, das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen und sich zu überlegen, wie wir uns von Gottes Geist führen lassen können.

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