News von der Glarner reformierten Landeskirche

Interview Roger Rychen

von Swantje Kammerecker
min
30.05.2025
Mit dem ESAF 2025 Glarnerland + naht im Kanton Glarus ein sportliches und kulturelles Jahrhundertereignis. Auch die Landeskirchen werden präsent sein. Was haben dieser urwüchsige Sport, Leben und Glauben gemeinsam, was trennt sie? Roger Rychen im persönlichen Gespräch.

Drei eidgenössische Kränze (und über 60 weitere) hat Roger Rychen bereits errungen – das ESAF 2025 in Mollis wird der Höhepunkt seiner Karriere sein. So oder so ist er jetzt schon als Botschafter und einheimischer Favorit das Glarner „Aushängeschild“ dieses kommenden Ereignisses. Darauf fokussiert er sich, hat das Arbeitspensum bei einem verständnisvollen Arbeitgeber zugunsten von Training und Regeneration etwas reduziert. Auch verzichtet er auf manche Schwingfeste im Vorfeld. Zudem ist es ihm sehr wichtig, für seine Familie mit den zwei kleinen Kindern da zu sein. Beim Interview in der heimischen Stube in Glarus erzählen unter anderem die Trycheln an der Wand von der mittlerweile über zehnjährigen Schwingerkarriere. Nicole und Roger heirateten 2019 in der Stadtkirche Glarus. Tochter Ariana wurde im Bergkilchli Klöntal getauft, wie auch Nicole schon vor knapp 34 Jahren; Giulia hingegen im Obstock, wo Roger selbst als jüngster von drei Buben einer Bergbauernfamilie aufwuchs.

Roger, was bedeutet Dir Glauben und die Zugehörigkeit zur Kirche? Der Glaube an mich selbst und an meine Fähigkeiten ist sehr wichtig. Glaube gibt Halt im Leben, im Schönen wie im Traurigen. Als mein Bruder sich jung das Leben nahm, war es gut, glauben zu können: Er hat da noch eine andere Heimat. Mit der Familie und anderen Menschen in der Kirche Abschied zu nehmen, hat bei der Verarbeitung geholfen. Jetzt wo wir Kinder haben, war auch ganz klar: Wir lassen sie taufen! Sie sollen auch dazugehören und die Möglichkeit haben, den Glauben zu entdecken, für ihr weiteres Leben. Schlussendlich sollen sie natürlich selbst entscheiden können, aber wir bieten ihnen diese Grundlage.

Was haben Glauben und der Schwingsport gemeinsam? Beide kommen aus einer für mich sehr schönen Tradition, verkörpern Werte, die ich gerne weitertrage. Und ich erlebe mich in beiden als demütiger Mensch…

Das musst Du näher erklären…? Sogar der erfolgreichste Schwinger lernt Demut, denn auch wenn du gesiegt hast und der Andere am Boden liegt, ist dir bewusst: Es ist eine Momentaufnahme, ein anderes Mal ist der Andere stärker. Es braucht natürlich den vollen Einsatz und Willen zum Sieg, doch auch wenn Du das Beste gegeben hast, es liegt nicht nur in deiner Hand.

„Dieser Sport lehrt auch Demut“

Manche Sportler versuchen auch mit Glücksbringern und kleinen Ritualen nachzuhelfen. Kennst Du das auch, und worin liegt die Bedeutung? Jeder hat Dinge, die ihn mental stärken und Zuversicht vermitteln. Bei mir ist es z.B. ein Krafttier, das ich innerlich verankert habe und abrufe, wenn es losgeht. Und in der Vorbereitung packe ich meine Sachen ganz bewusst in einer bestimmten Ordnung, dabei ist der Sack mit der Tracht – dem Gewand der Kranzgewinner – besonders wichtig. Für mich ist das aber kein Aberglaube – denn wie gesagt, erzwingen oder herzaubern kann man nichts – sondern führt mir das Ziel klar vor Augen: Du musst, um dort anzukommen, auch schon innerlich da gewesen sein. Ich erstelle dafür sozusagen ein inneres Drehbuch.

Leistungssport ist harte Arbeit. Was motiviert zum Durchhalten und hilft auch Rückschläge zu überwinden? Du musst es vor allem selber wollen, aber du brauchst auch Vorbilder und ein Team. Meine Eltern hatten da eine gesunde Einstellung: Sie haben mich auf eine ruhige, selbstverständliche Art begleitet und unterstützt, ohne jedem einzelnen Hoch und Tief zu viel Bedeutung beizumessen. Und weil ich am Anfang noch nicht so stark war, brauchte es eben mehr Geduld und eine gute Technik, wofür ich heute dankbar bin. So lernte ich auch, nach Misserfolgen wieder aufzustehen, sehe sie als Ansporn, besser zu werden. Jetzt ist es für mich wichtig, dass ich mich voll konzentrieren kann auf den Sport, für Social Media z.B. habe ich gar keine Zeit und bin in der glücklichen Lage, dass meine Frau da als Managerin Vieles übernimmt.

Was ist beim Schwingen gegenüber anderen Sportarten speziell? Im Kampf habe ich ein direktes Gegenüber, wir kommen uns körperlich sehr nah, das muss man ertragen können. Es hat aber im Grunde etwas sehr Verbindendes. Vor und nach dem Kampf sind Schwinger oft wie eine Familie, da ist viel Freundschaft, Zusammenhalt… (überlegt einen Moment). Und dann ist es noch speziell, dass man beim Schwingen ein Tier gewinnen kann. Das ist Tradition und gehört zu den schönsten Erinnerungen: Nach einem Sieg einen Moment bei ihm ausruhen, sein Fell streicheln, das sagt so viel aus und es gibt so viel zurück, für die harte Arbeit. Es ist ein bodenständiger, naturverbundener Sport!

Und wenn Du am ESAF den Muni Zibu gewinnst? Ich würde mit ihm von Mollis bis nach Glarus laufen. Ja, auf dem Balkon bei mir hätte er keinen Platz (lacht), aber ich wüsste einen Stall, wo ich ihn hinstellen könnte.

„Die Berge geben mir Kraft“

Welche Rolle spielt die Umgebung beim Schwingen? Es ist schon ganz anders in einer Halle als unter freiem Himmel. Bergschwinget ist auch deshalb für mich das Grösste, weil diese erhabene Kulisse etwas ausstrahlt. Diese Berge da, die gibt es schon so lange und wird es noch lange nach mir geben. Diese Beständigkeit gibt mir Geborgenheit und strahlt Kraft aus.

Wie siehst Du das Verhältnis von Sport und Religion, wo sind da mögliche Konflikte oder auch Chancen für ein Miteinander? Natürlich können sie sich konkurrenzieren, müssen aber nicht! So wurde etwa bei manchen Schwingfesten (vor allem in der Innerschweiz), weil sie ja sonntags stattfinden, die sogenannte „Sonntagsstille“ als eine Art Andacht oder Gottesdienst eingebaut. Eine schöne Geste. Und es gefällt mir, wenn auch die Kirchen am ESAF mit einem Jodelgottesdienst vertreten sind.  Statt Sport als „Ersatzreligion“ (ob positiv oder negativ) zu betrachten, können wir aufeinander neugierig sein und voneinander lernen. Bei beiden spielt auch das Erleben von Gemeinschaft eine sehr wichtige Rolle. Darum finde ich das ESAF eine grosse Chance für uns im Glarnerland.

Für einen kleinen Kanton eine grosse Nummer… für die wir uns mit vereinten Kräften einsetzen und so über uns hinauswachsen können. Darauf hoffe ich! 

Auch auf Dir liegen grosse Hoffnungen und Erwartungen, ist das auch eine Belastung? Nein, ich freue mich und finde es sehr positiv, dass die Menschen viel von mir erwarten. Es ist für mich ein Ansporn, mich optimal vorzubereiten.

Vielen Dank lieber Roger und alles Gute für die nächste Zeit und das ESAF!

Interview: Swantje Kammerecker

Bilder: zvg (Bildquellen direkt beim Bild angegeben)

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