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Kommentar

Jahreslosung 2026: Was «Siehe, ich mache alles neu» wirklich bedeutet

von Tilmann Zuber
min
31.12.2025
Alles neu? Wirklich? – Die Jahreslosung 2026 klingt wie ein Update-Versprechen. Tilmann Zuber, Theologe und Chefredaktor des Kirchenboten, erklärt im Kommentar, was der biblische Satz aus der Offenbarung wirklich meint.

«Siehe, ich mache alles neu!» – Ein Satz, der klingt wie ein Update-Versprechen aus dem Silicon Valley. Neustart. Reset. Fehler behoben. Für 2026 hat die Kirche genau diesen Satz zur Jahres­losung erklärt. Ein biblischer Hoffnungsslogan in einer Zeit, in der man schon froh ist, wenn wenigstens das Handy nach dem Update noch funktioniert.

Der Satz stammt aus der Offenbarung des Johannes, jenem letzten rätselhaften Buch der Bibel, das viele eher mit Weltuntergang als mit Hoffnung verbinden. Feuer, Drachen, Reiter, Visionen – lange galt die Offenbarung als apokalyptischer Katastrophenbericht. Dabei wurde sie unter ganz anderen Vorzeichen geschrieben: Johannes sitzt im Exil auf der Insel Patmos, Christen werden verfolgt und hingerichtet, die Welt wirkt feindlich und ausweglos. Und genau dort entsteht dieser Satz. Kein Fluchtwort, sondern ein Trotzsatz.

«Ich mache alles neu» heisst eben nicht: ein bisschen Kosmetik für eine kaputte Welt. Kein frischer Anstrich über Risse und Ungerechtigkeit. Kein Waffenstillstand, der wieder gebrochen wird. Johannes denkt radikaler. Er entwirft eine Vision, in der Tränen abgewischt werden, Leid endet, der Tod keine Macht mehr hat. Eine Stadt, die Schutz bietet. Eine Welt, in der Nähe statt Entfremdung herrscht. Das Alte wird nicht repariert – es wird überwunden. Das ist, zugegeben, eine Zumutung. Denn wir haben uns an das Provisorische gewöhnt. An Dauerkrisen, an Kriege im Nachrichten-Ticker, an eine Erschöpfung, die schon fast normal wirkt. Hoffnung, die wirklich alles neu denkt, wirkt da schnell naiv. Oder gefährlich.

Warum also diese Losung gerade jetzt? Vielleicht genau deshalb. Weil sie ein Gegenbild entwirft zu einer Welt, die sich immer schneller dreht und doch festzufahren scheint. Die Offenbarung ist eine Einladung zum Perspektivenwechsel. Johannes beschreibt eine Vision, die in die Gegenwart zurückwirkt. Gott ist kein distanzierter Beobachter, sondern ein Handelnder. Einer, der sich einmischt – in die Welt, die Politik, in unsere Beziehungen. Und damit sind wir plötzlich selbst gemeint. Denn diese Vision bleibt nicht folgenlos. Sie ruft dazu auf, die Welt mitzugestalten – nicht irgendwann, sondern jetzt. Frieden, Vergebung, Liebe: grosse Worte, ja. Aber sie beginnen klein. In Beziehungen, die neu gedacht werden. In Gewohnheiten, die man hinter sich lässt. In der Bereitschaft, den eigenen Blickwinkel zu verändern.

«Alles neu» muss nicht gleich die Weltrevolution sein. Manchmal reicht es, einen anderen Ton anzuschlagen. Oder zuzuhören, wo man sonst urteilt. Die Offenbarung verspricht keine einfache Welt. Aber sie traut uns zu, dass Veränderung möglich ist.

Tilmann Zuber ist Theologe und Chefredaktor des interkantonalen Kirchenboten, der in Basel-Stadt, Baselland, Luzern, Schaffhausen, Solothurn, Schwyz, Uri, Obwalden und Zug erscheint. 

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