Papst der Hoffnung – auch für Reformierte
Mit dem neuen Papst verbinden sich grosse Erwartungen. Auch von reformierter Seite. Papst Leo XIV. bringe mit seinem geistlichen Weg als Augustiner, seinem langjährigen Dienst in Lateinamerika und seiner reichen Erfahrung in der weltweiten Kirche eine beeindruckende Weite mit, erklärt Rita Famos, Präsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz. Sein bischöflicher Wahlspruch «nos multi in illo uno unum» – «in dem einen sind wir vielen eins» – ist eine tiefe theologische Vision, die auch die reformierte Tradition teilen kann: Einheit in Christus als Quelle für Versöhnung und gemeinsame Verantwortung in einer zerrissenen Welt, schreibt Famos.
Dass er als Papst den Namen Leo trägt, erinnere zugleich an Leo XIII., der 1891 die moderne katholische Soziallehre begründete. Die Verbindung von geistlicher Tiefe und sozialer Gerechtigkeit sei ein bleibendes Erbe. Rita Famos hofft, dass Papst Leo XIV. den weltweiten synodalen Weg mit Offenheit und Mut weitergeht.
Überraschende Wahl
Als der neue Papst Leo XIV. auf dem Balkon des Petersdoms erschien, war die Überraschung perfekt: ein Amerikaner auf dem Stuhl Petri. Auch der Publizist und Theologe Michael Meier hatte Francis Prevost nicht auf seiner Liste: «Ich war sehr überrascht, dass ein Nordamerikaner zum Papst gewählt wurde, zumal ich übersehen hatte, dass er auch peruanischer Staatsbürger ist.» Seine Kleidung wie seine kurze erste Rede hätten sogleich verraten, dass das Konklave keinen Populisten, sondern einen differenzierten Denker gewählt habe.
Dem Autor zahlreicher Bücher war bewusst, dass Prevost ein Kompromisskandidat ist: politisch in der Nachfolge von Franziskus, theologisch aber ein Traditionalist.
«Vielversprechend für unsere Weltkirche»
Auch Anne Durrer, Generalsekretärin der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK), hat beim neuen Papst genau hingesehen: «Ich dachte spontan: O je, ein Amerikaner! Aber ich korrigierte mich sofort. Kein US-Bürger im engen Sinne, sondern ein Bürger des ganzen Kontinentes mit langjährigen Erfahrungen in Peru.» Dieser Papst kenne andere Kulturen, Lebensrealitäten und Sprachen. Das empfindet Anne Durrer als «vielsprechend für unsere Weltkirche».
Ihr gefällt, dass der neue Papst einer Ordensgemeinschaft angehört, die sich nach der Regel des Augustinus richtet. «Viele deuten die Namenswahl Leo auch als Anspielung auf Bruder Leo, einen engen Begleiter von Franz von Assisi», sagt sie. Und sie schiebt nach: «Ein Hinweis, dass Leo XIV. den Weg des verstorbenen Papsts weitergehen wird?»
Starke Worte für den Frieden
Leo XIV. hat schon in seinen ersten Amtsstunden mit starken Aussagen aufgewartet. Michael Meier zeigt sich erfreut über seine ersten Worte: «Der Friede sei mit euch!» Er betont: «Das hat mir gefallen. Überhaupt seine Betonung des Friedens und sein Angebot, als Friedensvermittler zwischen den Konfliktparteien weltweit auftreten zu wollen, ist vielversprechend, ebenso sein Telefonat mit Präsident Selenski.»
Seine beeindruckende Biografie, sein Charisma und seine markigen Worte lassen die Erwartungen an diesen Papst hochschnellen. Kann er in der Weltpolitik eine entscheidende Rolle spielen? Michael Meier wünscht sich dies: «Ich hoffe, dass Leo XIV. bald nach Kiew reist, nach Jerusalem und Gaza und in den Südsudan.» Ebenso, so wünscht er sich, könnte der neue Papst den Antiamerikanismus seines argentinischen Vorgängers korrigieren und über die diplomatischen Kanäle des Heiligen Stuhls helfen, die beschädigte transatlantische Achse wieder auf Dialogkurs zu bringen.
Dialog mit den Reformierten
Auch Daniel Frei, Beauftragter für weltweite Kirche der reformierten Kirche Basel-Stadt, erhofft sich viel vom neuen Papst. Frei lebte wie Prevost in Peru. «Sein zentrales Anliegen scheint der Wunsch nach Frieden zu sein. Dazu gehören auch der konfessionelle Frieden und der Frieden zwischen den Religionen», sagt Daniel Frei. Entsprechend erwarte er, dass Papst Leo XIV. den Dialog mit den Reformierten fortsetze.
Allerdings werde es seine Hauptaufgabe sein, die katholische Kirche zu einen, dafür werde er keine ökumenischen Zugeständnisse machen wie die Ordination der Frauen oder den Abbau der Hierarchie. Das allerdings sei ein Kernanliegen der Protestanten.
Papst der Hoffnung – auch für Reformierte