News von der Glarner reformierten Landeskirche
#denkpause

...und führe uns nicht in Versuchung

von Pfarrerin Iris Lustenberger
min
10.09.2023
Die süsseste Versuchung seit es Schokolade gibt... oder eben doch nicht? Über das allgegenwärtige Versucht-Werden auf allen Kanälen und das Widerstehen schreibt Pfarrerin Iris Lustenberger aus Ennenda.

Im Gebet, das uns Christus gelehrt hat, beten wir "...und führe uns nicht in Versuchung". Ist das richtig? Bitten wir Gott, uns nicht in Versuchung zu führen? Könnte er das wirklich tun? Unglaublich, dass uns das Jesus so vorgebetet hätte, nicht wahr?

Die Versuchungen sind da, allgegenwärtig, einhämmernd, werbetechnisch und verkaufspsychologisch aufbereitet, sodass man es oft gar nicht merkt und wir fallen alle darauf herein. Unsere Medien leben davon, dass wir in Versuchung geführt werden sollen. Um den Werbekuchen wird gekämpft und alle wollen das Geld, das dafür bezahlt wird, uns in Versuchung zu führen. Wir bezahlen Radio- und Fernsehgebühren, damit unser Fernsehen mit einem minimalen Angebot an Werbung auskommt. Trotz der Gebühren bleibt ein grosszügig, aber doch limitiertes Werbeangebot im Fernsehen. Dieses gaukelt uns vor, dass wir dieses oder jenes unbedingt brauchen um glücklich zu sein. Ist dem wirklich so? Was brauchen wir den wirklich? Alles hier Aufgezähte ist nicht per se schlecht, doch immer wieder ist unsere Unterscheidungskraft gefragt. Unsere Politiker schwören an der Landsgemeinde, so wahr ihnen Gott helfe, ohne Beeinflussung und schon gar ohne Bezahlung in ihrem Amt zu entscheiden. In Bern gibt es in der Wandelhalle sogenannte Lobbyisten, die berufsmässig und hoch bezahlt alles daransetzen, die Politiker und Politikerinnen dazu zu gewinnen, im Interesse einer um Vorteile suchenden Gesellschaftsgruppe zu entscheiden. In den sozialen Medien verdienen sogenannte Influencer viel Geld, indem sie die Followers dazu bringen, all das zu tun, zu denken und gut zu finden, was ihnen vorgegaukelt wird. In den Läden werden Nahrungsmittel angepriesen, die unter Umständen unter schlechten ökologischen und sozialen Bedingungen hergestellt wurden. Mit künstlicher Intelligenz ist es heute möglich, Stimmen erstaunlich echt zu kopieren, damit wir annehmen, die zur Stimme gehörenden Menschen am Telefon zu uns reden würden, was einzig dazu gemacht wird, dass wir auf die vorgegaukelte Versuchung hereinfallen.

Sollten wir den Text in diesem Gebet, dass alle auswendig können, diese Textzeile nicht leicht verändern? Wie wäre es damit: ... und führe uns in der Versuchung!

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