News von der Glarner reformierten Landeskirche

Nachgedacht

von Pfarrer Daniel Zubler
min
31.01.2025
Als Spitalseelsorger ist Daniel Zubler immer wieder mit dem Thema Schuld und Reue konfrontiert. Wie kann eine Entschuldigung gelingen, anderen und auch sich selbst gegenüber?

Wann haben Sie zuletzt etwas bereut? Etwas getan zu haben, was Sie vielleicht besser unterlassen hätten? – Ihr Auto im Parkverbot platziert und eine Busse kassiert. Ihr Gegenüber unverhältnismässig beschimpft. Den falschen Partner, die falsche Partnerin gewählt. Ja, es gibt viele Handlungen in unserem Leben, welche im Rückblick betrachtet, durchaus Grund zur Reue geben können.

Tiefgehende Gespräche
Als Spitalseelsorger begegne ich täglich den verschiedensten Menschen. Dies ist unglaublich bereichernd. Und auf der Palliativstation können persönliche Gespräche nach einer gewissen Zeit eine wohltuende Tiefe erreichen. Viele Menschen eröffnen mir ihr Leben und ich empfinde dies als ein grosses Vertrauenszeichen, welches mir die PatientInnen entgegenbringen. Und in diesen biografischen Erzählungen blitzen nicht selten Begriffe wie Schuld, Entschuldigung, Vergebung, Reue auf.
Manfred Lütz sagt in diesem «Reformiert GL», dass der Mensch um Entschuldigung bitten muss und sich nicht selber entschuldigen kann. Das scheint mir nicht ganz falsch. Deshalb schaue ich manchmal mit den Patienten, ob es noch gelingen könnte, in verfahrenen Situationen durchzuatmen, sich und dem Gegenüber Raum zu geben und wo nötig, Schuld zu ent-schuldigen. Ab und zu gelingt’s.

Das (eigene) Leben wagen
Ein weiteres Thema neben der Schuld, welches sich auch gerne zeigt, ist die Reue. Die Reue, etwas Schlechtes, Falsches, Lebensfeindliches getan zu haben. Handlungen, die man gerne rückgängig machen würde. Aber wir wissen es: Geschehen ist geschehen. Aber, und jetzt kommt’s: Was ist mit all dem Ungeschehenen, dem Verpassten? Wo es nicht einmal die Möglichkeit gibt, etwas zu bereuen, weil der Mut fehlte, es überhaupt auszuprobieren. Nach einer Umfrage bereuen mehr Menschen, etwas nicht getan zu haben, als etwas falsch gemacht zu haben.

Viele Personen bereuen Dinge, die sie eben gar nicht gewagt haben. Als ich noch Pfarrer in einer Bündner Berggemeinde war, hatte mir ein alter Bauer in seiner mit Holz getäfelten Schlafstube auf dem Sterbebett anvertraut: «Wissen Sie, ich hätte so gern einfach mal etwas für mich getan». Und dies nach über 80 Lebensjahren oder rund 30’000 Lebenstagen. Ich hatte dieses Haus sehr nachdenklich und traurig verlassen. Ein ganzes Leben gelebt, ohne es zu wagen, sein Leben zu leben?

Liebe Lesende, warten Sie nicht, bis Sie krank im Bett liegen, um zu bereuen, etwas nicht getan zu haben. Falls Ihr Vorhaben, Ihre Aktion misslingt, können Sie immer noch um Entschuldigung bitten. Vielleicht jetzt entgegen M. Lütz frei nach dem Motto: Entschuldigung, ich möchte mir gerne verzeihen. Falls Ihnen dies nicht gelingen will, haben wir im Christentum ein wunderbares Gebet. Raten Sie mal welches.

Von Daniel Zubler, Spitalpfarrer. Bild: Pixabay

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