News von der Glarner reformierten Landeskirche
#denkpause

Moderner Ablasshandel

von Pfarrer Immanuel Nufer
min
04.05.2023
Pfarrer Immanuel Nufer aus dem Kirchenkreis Glarus Nord schreibt über den modernen Ablasshandel und was er mit Klimaschutz zu tun haben kann.

Die Menschen des Mittelalters fürchteten sich vor dem Fegefeuer, durch das jeder Gläubige nach seinem Tode zuerst von den Folgen seiner Sünden geläutert würde, bevor er in die volle Gegenwart Gottes treten könne. Mit dramatischen Bildern und Geschichten machte die Kirche den Menschen sprichwörtliche die Hölle heiss. Um diese qualvolle Zeit abzukürzen, gab es das Mittel des Ablasses. Durch verschiedenste gute Werke wie Pilgerreisen und Gebete, konnte ein solcher Ablass von der Kirche erlangt werden. Das war aber gerade den Wohlhabenderen zu mühselig. Deshalb gab es auch die Möglichkeit, einen Ablassbrief mit Geld zu kaufen. Damit wurde dann ein gutes Werk finanziert, welches ein anderer für einen erbrachte. Es versteht sich von selbst, dass findige Kirchenleute daraus ein lukratives Geschäftsmodell entwickelten. Der Ablasshandel entstand. Glücklicherweise bewirkte die Kritik der Reformatoren auch ein Umdenken in der katholischen Kirche, welche auf dem Konzil in Trient die Kommerzialisierung des Ablasses verbot.

Moderne Ablässe

Heute glaubt kaum jemand mehr an zeitliche Strafen im Jenseits. Die Kirche hat längst die Deutungshoheit über das vorherrschende Weltbild verloren. Wer aber meint, solche Auswüchse kämen in einer modernen Gesellschaft nicht mehr vor, wird schnell eines Besseren belehrt. Heute sind es säkulare Ideologien, die den Durst nach Sühnung stillen. Die Angst vor dem Fegefeuer ist der Furcht vor dem drohenden Weltuntergang gewichen, die sich in immer neuen Gewändern zeigt. Momentan wird uns mit drastischen Bildern und Zahlen suggeriert, dass die Welt spätestens in hundert Jahren verglüht oder im Wasser ersäuft wird, sollten wir unsere Zivilisation nicht in wenigen Jahrzehnten radikal umbauen. Aus diesem Grunde gibt es jetzt allerlei moderne Ablässe, um seinen eigenen sündhaften Anteil am Weltuntergang zu büssen.

Nun bestreite ich überhaupt nicht, dass die Erdatmosphäre sich in den letzten 150 Jahren bedeutend erwärmt hat – leider muss dies heute wie ein Glaubensbekenntnis heruntergeleiert werden, als ob die wenigen Verschwörungstheoretiker, welche den mit blossen Augen wahrnehmbaren Klimawandel leugnen, den Weltfrieden stören könnten. Jedoch haben die von Medien geschürten Horrorprognosen wenig mit nüchterner Wissenschaft zu tun. Die genauen Ursachen und Auswirkungen werden kontroverser diskutiert, als dies uns suggeriert wird.

Angstmacherei

Störend ist zudem, wie mit der Angstmacherei einfache Bürger dazu gedrängt werden, ihren freiheitlichen Lebensstil zunehmend einzuschränken und finanzielle Opfer zu erbringen, während gutbegüterte und lautstarke Weltuntergangspropheten es selbst nicht so ernst nehmen mit der Umsetzung. So kann ein deutscher Fernsehmoderator in empörten Ton die totale Abschaffung des Flugverkehrs fordern, um handkehrum von seinen traumhaften Tauchferien auf einer fernen Insel zu schwärmen, zu der er wohl kaum mit dem Segelboot gereist ist. Das sind keine Einzelfälle, sondern Beispiele, welche die moderne Heuchelei aufzeigen. Natürlich – man kann sich heute von den Folgen einer solch sündhaften Reise sozusagen freikaufen, indem man sich eine Solaranlage aufs Dach schrauben oder ein paar Bäume in einem fernen Land pflanzen lässt. Noch besser wäre es, all dies zu tun und gleichzeitig auf Ferien mit Flugreisen ganz zu verzichten. Das wäre nicht nur klimawirksamer, sondern auch glaubwürdiger. Nur müsste man dann seinen Lebensstil ändern. Aber das ist einigen dieser schrillen Weltuntergangspropheten offensichtlich zu mühsam. Verzichten sollen jene, die es sich sowieso nicht leisten können. Und natürlich dürfen sie dazu auch noch schmerzliche finanzielle Opfer erbringen.

Auch die säkulare Welt braucht authentische Vorbilder. Nur dann lassen sich die Menschen langfristig überzeugen. Dass nicht Wasser gepredigt werden soll, wo Wein getrunken wird, gilt eben nicht nur für die Kirche.

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