News von der Glarner reformierten Landeskirche

Unsichtbare Probleme

von Liv Knecht
min
22.11.2023
Der Bleistift in meiner Hand ist schwer. So unendlich schwer. Ich lege ihn ab, reibe mir die Hände, unruhig springt mein Blick umher. Leises Murmeln aus den hinteren Reihen, kaum vernehmbar, doch insgesamt anschwellend zu einem lauten Brummen, tönt in meinen Ohren. Es überrollt mich, begräbt mich.

Ich verstehe es nicht, doch es hat mehr Macht und Einfluss auf mich als etwas, was ich verstehen würde. Denn so ist es undefinierbar. Genau dieses Brummen, dieses Gefühl der Überwältigung, zusammen mit meinem vor Nervosität umherfliegenden Blick, mit dem bitteren Geschmack in meinem Mund, mit dem Duft von frischen Papierbögen in der Nase macht die allerschlimmste auf Erden existierende Situation aus. Die Zeit, in welcher der Lehrer die Prüfungen austeilt. Die Ungewissheit, was diesmal auf dem Blatt Papier lauern wird. Was mich heute zerstören wird. Was mich bis zur Rückgabe des Tests verfolgen wird. Krampfhaft klammern sich meine Hände an die metallene Tischkante. Meine Knöchel stehen weiss hervor. Ich fühle mich, als würde ich einige Zentimeter über meinem Stuhl schweben. Doch es ist kein leichtes Schweben. Nein, es ist ein furchterregendes Treiben durch Zeit und Raum. Kontrollverlust. Die Kälte des Tischbeines an meiner Wade lässt mich unerwartet aufschrecken. Die Lackschuhe meines Lehrers hallen auf dem Boden wie in einem grossen Saal. Immer näher kommt der verheerende Stapel Prüfungen. Immer näher die vernichtenden 45 Minuten. Auf die Sekunde genau gestoppt. Krampfhaft, unkontrollierbar, zermürbend. 45 Minuten können unglaublich schrecklich sein. Und niemand bemerkt es. 

Natürlich, es gibt grössere Probleme auf der Welt als Prüfungsangst. Und doch sollten wir uns wohl etwas öfters auf die kleineren Probleme unserer Mitmenschen achten, die nach aussen unsichtbar sind und trotzdem zerstörerisch sein können. Oft erkennen wir ihre Probleme und Schwierigkeiten gar nicht, bis wir deren Konsequenzen selber miterleben. Vielleicht sollten wir einfach bei den kleinen Dingen beginnen und probieren mitzuhelfen, wo es geht, denn nur schon so kann man das Leben einiger Menschen ein klein wenig besser machen. 

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